Die Ansprüche von Flugpassagieren und Flugzeugbetreibern sind in den letzten Jahren gestiegen; Hatte es in der Vergangenheit noch ausgereicht, die Passagiere sicher und pünktlich an ihr Ziel zu bringen, sollen Reisen im Flugzeug heute zudem günstiger, umweltfreundlicher, nachhaltiger, stressfreier, leiser und unterhaltsamer werden. Darüber hinaus geht es Fluggesellschaften jedoch auch um das Flugerlebnis von Passagieren. Mit dem A350 XWB (eXtra-Wide Body), dem neuesten Mitglied der Airbus-Langstreckenfamilie, kann der Flugzeughersteller für besonders hohen Flugkomfort sorgen. Die Kunden scheinen das genauso zu sehen: In den Auftragsbüchern von Airbus stehen bereits 700 Bestellungen.
Airbus nutzte 3DEXPERIENCE Anwendungen von Dassault Systèmes für die Planung, Simulation und Fertigung auf einer Plattform, mit der Mitarbeiter und Zulieferer gemeinsam und in Echtzeit an einem digitalen Modell arbeiten konnten. Durch den Einsatz hochpräziser und aktueller Produktdaten in der gesamten Wertschöpfungskette ist es Airbus gelungen, die Zahl der Konstruktionsänderungen deutlich zu reduzieren und bis zum Erstflug eine erstaunlich hohe Reife zu erreichen. So konnte der enge Zeitrahmen bei der Entwicklung des A350 XWB eingehalten werden.
Bild: Airbus
Bei der Entwicklung des A350 XWB standen von Beginn an die Wünsche der Kunden im Mittelpunkt – von einer ergonomischen Kabine bis hin zum In-Flight-Entertainment. Der A350 XWB weist hochmoderne, aerodynamische Flügel sowie ein intelligentes Flugwerk auf. Sowohl die Außenhaut des Rumpfs als auch die Flügel bestehen aus Kohlenstofffaser – das sind über 50 % des gesamten Flugzeugs.
Kollaboration gehört zu den wichtigsten Komponenten der Innovationsstrategie von Airbus und spielt heute eine entscheidende Rolle. „Als wir das Programm starteten“, berichtet Didier Evrard, Executive Vice President und Leiter des A350 XWB-Programms bei Airbus, „mussten wir Methoden und Tools entwickeln, die anders aussahen als beim A380 – nicht nur um sicherzustellen, dass alle an der Entwicklung beteiligten Konstrukteure mit der gleichen Entwurfsplattform arbeiten können, sondern auch, um für Kommunikation in einer zentralen Umgebung zu sorgen.“ Im Rahmen des A350 XWB-Programms wurde die Plattform täglich von bis zu 4.000 Menschen verwendet. 85 % der Nutzer stammten dabei aus der Zulieferkette.
„Bei früheren Programmen hatte jeder Standort ein eigenes Digital Mock-Up (DMU). Das bedeutete, dass die einzelnen Standorte getrennt voneinander arbeiteten“, erinnert sich Antoine Scotto, Leiter des PLM-Programms für den A350 XWB bei Airbus von 2007 bis 2011. Die ungenügende Kommunikation brachte verlängerte Entwicklungszeiten sowie Fehler mit sich, die die Kosten in die Höhe schnellen ließen. „Diesmal haben wir unsere Entwicklungsplattformen unter dem Dach von ENOVIA zusammengefasst und den Mitarbeitern von Airbus sowie dem erweiterten Unternehmen Zugriff auf diese einzigartige Datenreferenzlösung gewährt. Bei ENOVIA dauern Synchronisationen wenige Minuten. Vorher waren es mehrere Tage“, fügt Scotto hinzu. Durch eine Neugestaltung der Entwicklungsprozesse ist es Airbus gelungen, die Zusammenarbeit in der Entwurfs- und Entwicklungsphase bis hin zur Fertigung deutlich zu verbessern. „Mithilfe der 3DEXPERIENCE Plattform konnten wir einen Austausch von Ideen zwischen allen Projektbeteiligten ermöglichen und so die Effizienz insgesamt deutlich erhöhen“, berichtet Scotto.
„Wir mussten verschiedene Herausforderungen bewältigen, darunter einen äußerst ehrgeizigen Entwicklungszeitplan sowie das rasche Hochfahren der Produktion, um Lieferzusagen einhalten zu können“, erläutert Evrard. „Dank 3DEXPERIENCE konnten wir unsere Entwurfsqualität und -effizienz spürbar erhöhen. Um die Struktur, Installationssysteme, Rohre, Verbundteile und elektrischen Systeme des Flugzeugs in 3D planen zu können, haben wir uns für CATIA entschieden“, sagt Scotto.
Zum Beispiel hat Airbus eine neue Methode zur Bemessung und Montage der hydraulischen und elektrischen Systeme entwickelt. „Dank CATIA konnten wir für die Planung und Installation der Kabelstränge im A350 XWB ein umfassendes 3D-Masterverfahren nutzen, was den Vorgang und die Gestaltungsqualität deutlich verbessert hat“, erklärt Scotto. Durch eine vollständige Harmonisierung des Montageverfahrens für Kabelstränge konnten die Kosten und Vorlaufzeiten reduziert und die industrielle Fertigung des A350 XWB beschleunigt werden. „Unseren Ingenieuren ist es gelungen, die Dauer der Aktualisierung von Installationsplänen um 50% und die Zahl der Änderungsanfragen im Vergleich zur manuellen Anfertigung von 2D-Zeichnungen um 25% zu reduzieren. Alle Teile wurden digital eingebaut, montiert und überprüft. Auftretende Fehler konnten vor der physischen Montage behoben werden“, fügt er hinzu.
Bild: Airbus
Dank des Digital Mock-Up (DMU) konnte Airbus die Fertigung mit dem Konstruktionsteam verknüpfen. „Alle Änderungen durch das Konstruktionsteam wurden in Echtzeit an die Fertigung übermittelt. Hierdurch konnten wir die Herstellung der Produktionsmittel deutlich beschleunigen“, meint Scotto. „Die Qualität des Entwurfs war so hoch, dass aus dem Produktionsteam kaum Anfragen nach einer Überarbeitung kamen“, erinnert sich Evrard. Ingenieure konnten mit SIMULIA realistische, nicht lineare Analysen ausführen, um in der Entwurfsphase früh die Beanspruchbarkeit und das Verhalten der Flugzeugstruktur vorherzusagen. „Auf Grundlage der CATIA-Entwurfsdaten haben wir umfangreiche Simulationsmodelle erzeugt und damit maßstabsgetreue, nicht lineare Struktursimulationen durchgeführt“, berichtet Scotto. „Dank SIMULIA konnten wir grobe, lineare Analysen in präzise, nicht lineare Analysen verwandeln, um zu verstehen, wie sich die Struktur unter bestimmten Bedingungen tatsächlich verhalten würde.“
Von der Fertigungstechnik bis hin zum Anlagenbetrieb wurde DELMIA verwendet, um die geplante Vorlaufzeit des Programms einhalten und die Herstellbarkeit des Flugzeugs gewährleisten zu können. Zudem hat DELMIA die Möglichkeiten bei der Gestaltung und Optimierung der Produktionsplanung verbessert – von der Montagestation über den grundlegenden Montagebetrieb bis hin zur Support-Automatisierung. Beim Airbus 330 dauerte der Zyklus für die endgültige Montagelinie rund vier Monate. Durch einen frühzeitigen Start der Kabineninstallation konnte das Montageverfahren beim A350 XWB um 30% verkürzt werden.
Die Unterstützung von 3DS Industry Services war für die Implementierung und Bereitstellung der kompletten Umgebung für den A350 XWB extrem wichtig. „Die Zusammenarbeit zwischen den Teams von Airbus und Dassault Systèmes war besonders eng“, meint Evrard.
Die Vorteile der Verwendung eines einzigen DMU für den A350 XWB beschränkten sich nicht nur auf die Konstruktion und Fertigung, sondern betrafen auch nachgelagerte Prozesse im Kundendienst. In der Vergangenheit musste sich der Kundendienst mit manuellen 2D-Illustrationen begnügen. Dank der digitalen Kontinuität der 3DEXPERIENCE Plattform konnte Airbus nun jedoch Kundendienstprozesse einrichten, die auf einer direkten Wiederverwendung des DMU basierten. Mithilfe von 3DVIA konnte Airbus zum Beispiel ein Structural Repair and Maintenance System (SRM) einrichten, um Zugriffe, Abfragen und Navigation innerhalb des DMU und eine Identifizierung von Teilen der Struktur für Wartung oder Reparatur zu unterstützen. Zu den Vorteilen von 3DVIA gehören eine deutlich einfachere Ermittlung von Teilen sowie die Eliminierung manueller Arbeiten, die zur Erzeugung von 2D-Illustrationen und Bearbeitungshinweisen erforderlich
Die 3DEXPERIENCE Plattform war für Airbus bei der Entwicklung des A350 XWB eine wichtige und strategische Hilfe. Die Stunde der Wahrheit für den A350 XWB kam mit dem Erstflug des Flugzeugs am 14. Juni 2013. „Alle Erwartungen waren auf diesen einen Tag gerichtet“, erinnert sich Evrard. „Unter allen Herausforderungen, die wir im Rahmen des Programms bewältigen mussten, war dies der entscheidende Moment, auf den wir alle seit der ersten Zeichnung gewartet hatten. Der Erstflug war ein voller Erfolg, genauso wie die 270 Flugstunden, die das neue Flugzeug in den ersten zwei Monaten absolviert hat.“ Die aktuelle Herausforderung des A350 XWB-Teams besteht im schnellen Hochfahren der Produktion zusammen mit der Zulieferkette, um die von Airbus getroffenen Lieferzusagen einhalten zu können. „Da mit der 3DEXPERIENCE Plattform alle Mitarbeiter auf das gleiche DMU zugreifen können, ist die Kommunikation besonders einfach, lassen sich Entscheidungen unmittelbar treffen und werden Probleme schneller gelöst“, bestätigt Scotto.
„Angesichts der Komplexität des Programms und der hohen Zahl an externen Beteiligten war die Konstruktion des A350 XWB mit immensen technischen und betriebsbedingten Herausforderungen verbunden“, berichtet Evrard. „Mit den Lösungen von Dassault Systèmes konnten wir unsere Prozesse, Methoden und Tools jedoch umfassend harmonisieren und wertvolle Zeit sparen, die wir stattdessen für Innovationen genutzt haben. Für mein letztes Programm als Direktor hätte ich mir keine spannendere Herausforderung wünschen können.“