Bahnbrechende Neuentwicklungen entstehen oft durch den Blick über den Tellerrand. Und durch die Menschen, die eine bestimmte Fragestellung einfach nicht mehr loslässt. So haben sich in zwei Bereichen besonders rasante Entwicklungen gezeigt: in der Medizin und in der Technologie. Was lange gefehlt hat, war jedoch die Vernetzung beider Bereiche.
Projekte wie das Living Heart Project oder die Forschung nach Medikamenten und individueller Medizintechnik zeigen, wo die Verbindung schon unmittelbaren Nutzen gebracht hat. Nach der Forschung am lebenden Objekt (in-vivo) und an Zellkulturen (in-vitro) war in-silico – also die Computersimulation – der nächste Schritt.
Die Healthcare- und Life Science-Analysten von Axendia beschreiben in einem Bericht, wie Dassault Systèmes sein eigenes Wissen darüber, was Computertechnologien leisten können mit dem der Spezialisten aus dem Gesundheitsbereich verbindet und welche Vorteile für Patienten damit möglich werden. Diesen Aspekt mit Fokus auf Simulation haben wir hier im Blog bereits öfter aufgegriffen.
Daneben ermöglichen übergreifende Plattformen aber auch Lösungen zur Entwicklung und Zusammenarbeit im Bereich Material Science und für die Herausforderungen für Labore aus Prozesssicht und Compliance-Aspekten. Womit wir wieder beim Blick über den Tellerrand und den fesselnden Fragestellungen wären. Mit zunehmender Digitalisierung, Vernetzung und Virtualisierung wird klar, dass zunächst sehr unterschiedlich erscheinende Branchen doch sehr ähnliche Herausforderungen haben. Dazu kommt der Wandel in der Gesellschaft und bei den Erwartungen der Menschen an Produkte, Leistungen und Individualisierung.
Durch neue digitale Geschäftsmodelle verschwimmen die Grenzen zwischen Kundenerwartungen und Branchenanforderungen. Es zeigt sich aber auch, dass Forschung – auch im Bereich Medizin – eben nicht mehr nur eine einzelne fachlich thematische Problemstellung bedeutet, sondern, dass digitale Konzepte, Daten und Prozessschritte immer selbstverständlicher mitbedacht werden müssen.
Technologie verändert Arbeitsweisen
Wenn man nochmals aus der Patientensicht auf die Thematik schaut, war die Übertragung der Simulation und virtueller 3D-Welten aus dem Engineering in die Medizin ein fantastischer Schritt zum Patientenwohl. Wie beim Living Heart Project, bei dem über 95 Institutionen und Spezialisten an der umfassenden Simulation eines menschlichen Herzens arbeiten. Zuletzt wurde das Living Heart Project genutzt, um detailliert die Reaktionen des Organs auf verschiedene Medikamente zu erforschen. Weder die Art der Zusammenarbeit, noch die individuelle Darstellung eines Herzens, noch der Test verschiedener Therapieansätze an ein und demselben Herzen wären ohne die Technologie möglich gewesen. Allerdings konnte ein Kardiologe in den Sechzigern dann eben auch keine virtuelle Herzenswelt betreten und hatte nicht die Herausforderung sich neben seinem Patienten auch auf die Technik einzulassen.
Auch in der Analyse großer Datenmengen hat sich durch die Technologie die Herangehensweise geändert, verlangt neue Wege zu denken und eine andere Art zu arbeiten. Bisher wird üblicherweise versucht, die Mechanismen einer Erkrankung detailliert bis auf die Ebene von Zellen, Genen und deren Chemie zu verstehen – welche Voraussetzungen lassen eine Krankheit ausbrechen? Wie wirkt sie sich auf den Organismus aus und wie ist der Ablauf der Erkrankung? Aus diesem Verständnis heraus entwickeln Forscher dann Mittel und Methoden, um die Symptome und Ursachen zu bekämpfen. Es wird ein Gesamtkonzept gefunden, das im Einzelfall angepasst werden muss.
Big Data geht den Weg nun aber rückwärts: Warum werden manche Menschen schneller gesund als andere, warum leiden manche kaum, während andere vielleicht sogar um ihr Leben kämpfen? Aus diesen Unregelmäßigkeiten und der Betrachtung, was die Betroffenen vom Durchschnitt der Patienten unterscheidet, lassen sich Rückschlüsse auf Behandlungsansätze ziehen. Aus großen Datenmengen, die man früher nicht hätte verarbeiten können, werden Muster. Abweichungen können virtuell in Relation zu möglichen Einflussfaktoren gesetzt werden. So kann die Forschung noch gezielter, mit größeren Datenmengen, in größerer Geschwindigkeit und mit beliebigen Abhängigkeiten und Nebenbedingungen arbeiten.
Prävention und Self-made-Analysen und künstliche Intelligenz
Die Erkenntnisse der modernen Medizin besser zu nutzen ist die Idee des Trends zum Quantified Self, zur ständigen Überwachung des eigenen Körpers: Mit Hilfe von Fitnessarmbändern, Smartphones, Pulsmessern, sowie in der Zukunft intelligenter Kleidung und Wearables sammelt der moderne Mensch eine Vielzahl biologischer Daten über sich, seine Körperfunktionen und seinen Tagesablauf. Künstliche Intelligenz (KI) kann hieraus Schlüsse ziehen und dem Träger Empfehlungen für ein besseres, gesünderes und fitteres Leben geben. Doch die Sensoren der Zukunft gehen über einfaches Pulsmessen weit hinaus. Die Idee ist, die Erkrankung schon zu erkennen, bevor sie überhaupt entsteht, indem man Risikofaktoren minimiert. KI könnte potentiell falsches Verhalten des Trägers erkennen und diesen warnen, lange bevor Gesundheitswerte im gefährlichen Bereich liegen.
All diese Entwicklungen sind die Basis der personalisierten Medizin – je genauer man über einen Menschen, seine genetische und körperliche Ausstattung und seine Gewohnheiten Bescheid weiß, desto genauer lassen sich Wirkstoffe auf die Anforderungen genau dieses Menschen anpassen. Simulationen ermöglichen es, schon vor der Verabreichung die Reaktion des Individuums auf Medikamente zu analysieren und diese noch genauer anzupassen. Das allerdings erfordert einen sicheren und sensiblen Umgang mit Daten und in bezogen auf die Medizin dann auch eine gute Dokumentation zu Vorgaben und Richtlinien individueller Medikationen.
Ein sicher spannendes und weites Feld. Beim 3DEXPERIENCE Forum im Oktober zeigt Dassault Systèmes unter anderem Lösungen aus dem Health- und Life Science-Sektor, die den Menschen ein gesünderes und besseres Leben ermöglichen. Die Axendia-Analysten schließen ihren Bericht übrigens mit folgender Erkenntnis: „Die Fähigkeit von Dassault Systèmes, die Life Science-Industrie mit Verstand, Körper und Seele zu unterstützen, gibt dem Unternehmen eine einzigartige Position, um die Revolution der Präzisionsmedizin voranzutreiben.“ Leif Pedersen rückt diese Aussagen in seiner Keynote für uns in den Kontext industrieller Umbrüche.