Die Plattform-Ökonomie – Fluch oder Segen?

Plattformökonomie und digitale VernetzungAlarmierende Berichte darüber, wie Deutschlands Industrie in der Digitalisierung den Anschluss zu verlieren droht, finden sich in den Medien mehr als häufig. Das Problem zu benennen, ist jedoch das eine, Lösungen zu bieten das andere.

Einen Ansatzpunkt bietet acatech, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften mit Ihren Empfehlungen. So beschreiben sie die Herausforderungen und Hinweise zu Lösungswegen in der digitalen Transformation in ihrem Report „Smart Service Welt 2018“. Hinweise gab auch ein Vortrag auf dem 3DEXPERIENCE Forum in Göttingen. Dort sprach Karl-Heinz Streibich, Präsident und Senatsvorsitzender von acatech, zum Thema „Plattformökonomie in der digitalen Welt“. Er zeigte unter anderem, dass die deutschen Unternehmen, vor allem auch die kleinen und mittleren Unternehmen, sehr wohl verstanden haben, dass die Digitalisierung Umwälzungen bringt und sie reagieren müssen. Allerdings springen die Unternehmen oft nicht weit genug, woran auch die Herangehensweise in Deutschland, so Streibich, nicht ganz unschuldig ist.

Die Digitale Transformation trägt in Deutschland oft nur die Überschrift „Industrie 4.0“, während zum Beispiel der US-amerikanische Begriff des „Internet of Things“ wesentlich breiter aufgestellt ist. Während Industrie 4.0 den Schwerpunkt auf die Digitalisierung der Produktion setzt, sind als Adressat der Initiativen des Industrial Internet Consortium (IIC) auch Branchen wie Medizin, Energie und Verkehrswesen zu finden. Und gerade im Zuge neuer digitaler Geschäftsmodelle und smarter vernetzter Produkte wird klar, dass der Begriff eben mehr umfassen muss als nur eine Facette des Themas.

Auch der Smart Service Welt-Report zeigt, dass die deutschen Unternehmen schon eine Vielzahl smarter Produkte, Maschinen und Anlagen entwickeln und anbieten – Die Maschinen sind mit Sensoren ausgestattet und reagieren teils autonom. Sie liefern Daten, die zur Organisation der Fertigung dienen und als Basis von Serviceangeboten an den Hersteller zurückfließen. Die Unternehmen bieten datenunterstützte Serviceleistungen an und steigern so die Effizienz ihrer Anlagen und der Kunden. Insofern wird die Plattformökonomie heute schon gelebt.

Ein Zitat aus dem acatech-Report legt jedoch den Finger in die Wunde: „Wirklich zukunfts- und wettbewerbsfähig wird ein Unternehmen in der Plattformökonomie jedoch erst, wenn die bereitgestellten Leistungsversprechen nicht nur auf Beschleunigung, Optimierung und Qualitätssteigerung bestehender Prozesse und Produkte ausgerichtet sind. Vielmehr muss eine Überleitung in völlig neue und dynamisch anpassbare bzw. individualisierbare Angebote erfolgen, die so neue Nutzenversprechen generieren, für eine nachhaltige Rentabilität sorgen und innovative Erlösmodelle in einer veränderten, flexiblen Wertschöpfungsarchitektur ermöglichen.“

Die Crux ist laut Streibich die exponentielle Entwicklung, die typisch ist für Plattformen: Es dauert eine ganze Weile, bis sich eine Plattform etabliert hat, dann aber wächst sie wegen des Netzwerkeffekts – jeder neue Nutzer bringt überproportionalen Wert in die Plattform ein – exponentiell und uneinholbar. Wer zu spät kommt, hat keine Chance, aufzuholen. Deshalb ist es so wichtig, nicht abzuwarten, sondern frühzeitig einzusteigen.

Die Lösung sind innovative Services – sobald man einzigartige, individualisierte, datenbasierte Produkt-Service-Pakete anbieten kann, lässt sich die Bindung zwischen Hersteller und Kunde auch über Plattformen hinweg gut erhalten und direkt steuern.

„Die App ist nicht das Ziel, sondern der Kanal und das Bindeglied zwischen Kunde und Hersteller“, so Streibich weiter. Nach wie vor haben produzierende Unternehmen in Deutschland, auch wenn sie über Plattformen agieren, 70 Prozent der Wertschöpfung in der Hand und können diesen Vorsprung der haptischen Welt nutzen, um in der digitalen Welt zu überleben.

Steffi Dondit

Steffi Dondit ist „Senior Specialist Global Affairs” für die Region Zentraleuropa bei Dassault Systèmes. Ihre Aufgabe ist es, Kontakt zu Verbänden, Netzwerken und in die Politik zu halten. Die Trends und Ergebnisse ihrer Arbeit fließen als direkter Input auch immer wieder in neue Projekte in der Region ein.