Die Simulation hat mittlerweile besonders in der Automobilindustrie große Akzeptanz und Verbreitung gefunden, um Systeme und Komponenten bereits in einer frühen Phase der Entwicklung testen, verifizieren und optimieren zu können. Bislang wird Simulation jedoch eher punktuell eingesetzt; Ziel ist es, diese als Methode entlang des gesamten V-Zyklus der Produktentwicklung zu implementieren. Dies würde Design-Iterationen erleichtern beziehungsweise erst ermöglichen, was zu einer höheren Flexibilität und damit zu Zeit- und Kostenersparnissen führen würde. Damit ergibt sich jedoch der Bedarf nach Simulationsmodellen auf unterschiedlichsten Abstraktionsebenen, die zwischen sämtlichen beteiligten Entwicklungspartnern austauschbar sein müssen.
Aktuell setzen die Automobilhersteller und ihre Zulieferer jedoch an verschiedenen Stellen des Prozesses höchst unterschiedliche Simulationswerkzeuge ein. Mangels allgemeiner Standards für Modellierungssprachen und Simulationsschnittstellen war damit der Modellaustausch und somit die Wiederverwendbarkeit physikalischer und dynamischer Verhaltensmodelle nur bedingt möglich.
Das im ITEA2/MODELISAR-Projekt spezifizierte Functional Mock-up Interface (FMI) adressiert genau dieses Problem. FMI stellt eine Simulationsschnittstelle dar, die es ermöglicht, Verhaltensmodelle in Form von FMUs (Functional Mock-Up Units) unterschiedlicher Herkunft in ein Gesamtsystem zu integrieren und dieses zu simulieren.
Eine FMU ist ein ZIP-Archiv, in dem neben der Modell-Implementierung auch die „Model Description“ in Form einer XML-Datei enthalten ist, welche alle zur Simulation benötigten Informationen beschreibt. Dies sind unter anderem die Signalnamen, Attribute, Datentypen und Einheiten. Das eigentliche Simulationsmodell ist in der Programmiersprache C implementiert, kann aber auch als Binary zur Verfügung gestellt werden. Durch das Kompilieren lässt sich der Modellinhalt verschleiern, wenn dieser Inhalt das geistige Eigentum des FMU-Lieferanten darstellt. Eine FMU ist also sozusagen eine Blackbox, die sich wie das repräsentierte System verhält und sich in ein Gesamt-Simulationsmodell einbetten lässt.
„FMI for Model Exchange“
Im Fall des Modellaustausches wird eine FMU von einem Simulationswerkzeug „ohne“ Solver exportiert und dann wieder in einen Simulator importiert, wo dann die „virtuelle Gesamtintegration“ stattfindet. Dabei stellt dieser „Master Simulator“ den importierten FMUs einen zentralen Solver (Gleichungslöser) zur Verfügung.
„FMI for Co-Simulation“
Im Gegensatz zu FMI for Model-Exchange wird im Fall der Co-Simulation die FMU mit Solver exportiert. Im Master Simulator verwendet dann jede importierte FMU ihren eigenen „mitgebrachten“ Solver. Der Master Simulator steuert über seine Backplane den Datenaustausch und die zeitliche Synchronisation zwischen den FMUs.
Abb. 1 FMI for Model-Exchange Abb. 2 FMI for Co-Simulation
Als Beispiel dient die Gesamtsimulation eines Baggers, in der verschiedene Simulationswerkzeuge von Dassault Systèmes über FMI miteinander gekoppelt sind. Das physikalische Verhalten der Mechanik und der Hydraulik ist in CATIA V6 mit Hilfe der offenen Modellierungssprache Modelica abgebildet und animiert. Der Großteil der Steuerlogik ist im Simulationswerkzeug ControlBuild, welches die Rolle als Mastersimulator übernimmt, als Funktionsmodell implementiert. Die Ansteuerung des Displays erfolgt ebenfalls über eine FMU, die aus AUTOSAR Builder als AUTOSAR-Software-Komponente exportiert wurde. Letztendlich kann der Bagger in Echtzeit über einen „echten“ Joystick gesteuert werden, welcher ebenfalls über FMI am Gesamtmodell angebunden ist. So lässt sich dank FMI das mechatronische Gesamtsystem „Bagger“, bestehend aus Sub-Modellen aus unterschiedlichen Quellen, interaktiv simulieren und das Zusammenspiel zwischen Mechanik, Hydraulik und Software kann getestet werden.
Gesamtsimulation eines Baggers
Dass FMI auch softwareübergreifend funktioniert, zeigt das Beispiel eines virtuellen Getriebesteuergerätes in einer Closed-Loop-Simulation. Hier wurde die Applikations-Software in AUTOSAR Builder entwickelt und getestet. Auf dieser Basis wurde im nächsten Schritt eine virtuelle ECU einschließlich des Betriebssystems, der Echtzeitkomponente und Teilen der Basis-Software als FMU exportiert. Diese FMU wurde im Integrationswerkzeug Silver der Firma QTronic mit einem Streckenmodell, welches ursprünglich aus dem Simulationswerkzeug Dymola exportiert wurde, gekoppelt. Damit ließ sich eine Software-in-the-Loop-Simulation verwirklichen. In Silver können nun über Dashboards sehr einfach und interaktiv Eingangsgrößen über Steuerelemente geändert und über Monitore interne Signalverläufe überwacht werden. Außerdem kann der Bediener direkt auf interne Software-Parameter zugreifen und diese interaktiv kalibrieren, um so das Steuergeräte-Verhalten zu optimieren. Bisher wird diese Abstimmung in aufwändigen Fahrversuchen durchgeführt.
Virtuelles AUTOSAR-Steuergerät in der Close-Loop-Simulation
Der FMI-Standard erlaubt die virtuelle Systemintegration durch die Kopplung von Simulationsmodellen unterschiedlicher Domänen und Ursprungs. Dies ermöglicht den Austausch der Modelle und damit deren Wiederverwendbarkeit, nicht nur zwischen Autohersteller und Zulieferern, sondern auch im eigenen Unternehmen. Fachbereiche, die sich bisher eher unbefriedigend auf Modellebene austauschten, erhalten damit die Möglichkeit, über ein gemeinsames Format Design-Informationen auszutauschen und per Simulation zu verifizieren. So lassen sich zum Beispiel Algorithmen aus der Software-Entwicklung in der Systemsimulation wiederverwenden oder Plant-Modelle der Software-Entwicklung zur Verfügung gestellt werden, um deren Software „in-the-Loop“ realistischer zu testen. FMI verbindet (Simulations-) Welten.
Referenzen
www.modelica.org
www.autoar.org
www.fmi-standard.org
www.dymola.com
Functional Mockup Interface (FMI), General Standard for Model Exchange and Simulator Coupling, Linköping University, 2011-02-10, Peter Fritzson
https://www.qtronic.de/de/silver.html