Mit der zunehmenden Verbreitung von mobilen Geräten hinterlassen wir Datenspuren, die Unternehmen nutzen, um jeden Wunsch zu erfüllen. Das Internet der Dinge (IoT) vernetzt Geräte immer enger und hebt das Kundenerlebnis auf eine neue Ebene. Das Ergebnis ist eine hypervernetzte Wirtschaft, in der Communities gemeinsam an Problemen arbeiten und alle Unternehmen gezwungen sind, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu überdenken, ebenso die Leistungen, die sie anbieten und die Beziehungen zu Kunden, Wettbewerbern und der Welt als Ganzes.
Industriegigant GE sammelt von seinen installierten Anlagen in jeder Sekunde Millionen Datenpunkte. Die eingebauten Sensoren in GE-Anlagen an Kundenstandorten weltweit übersteigen einen Wert von 1 Billion US-Dollar und sind in bildgebenden medizinischen Systemen genauso zu finden wie in Triebwerken. Alle diese Anlagen senden Daten durch das Internet der Dinge (IoT) zu der Cloud.
Verschiedene Anwender-Communities, von Bohringenieuren und Luftfahrtgesellschaften bis hin zu Meteorologen und Medizintechnikern, greifen auf die Daten in Echtzeit zu, um Wartungen zu planen, die Effizienz von Maschinen zu verbessern und die Ausfallzeiten jeder überwachten Anlage zu reduzieren. Darüber hinaus sammelt GE auch detaillierte Daten über die Nutzung der Anlagen durch die Kunden, empfiehlt, wie Kunden Anlagen effizienter nutzen können, und analysiert, wie Produkte von GE noch unverzichtbarer gemacht werden können. Mit diesem Prozess erfindet GE sich neu und wird zu einem Unternehmen, das sich genauso auf den Wert der von den Produkten erzeugten Daten stützt wie auf die eigentlichen Produkte.
„Für jede physikalische Anlage, die wir global besitzen, betreiben wir eine virtuelle Kopie in der Cloud. Die dazu benutzte Software wird mit jeder Sekunde reicher an operationalen Daten“, sagt Colin Parris, Vice President, verantwortlich für Software und Analytik bei GE. Damit ein Unternehmen wie GE sich so gründlich und in dieser Größenordnung umkrempeln kann, darf es die Anwender- Communities nicht als Zuschauer wahrnehmen, sondern als Umsatztreiber. Drei Jahre sind vergangen und laut Forbes aktuellen Berichten sagt GE für 2016 für den Bereich Software-Verkauf und Daten-Dienstleistungen einen Umsatz von 7 Milliarden US-Dollar voraus. Hyperkonnektivität – GE überwacht und analysiert seine Anlagen weltweit und kommuniziert über sichere Internet- Verbindungen mit diesen – macht‘s möglich.
„In dem sich entwickelnden wettbewerbsorientierten geschäftlichen Umfeld, das uns umgibt, geht es nicht einfach nur um Vernetzung oder das Sammeln von Daten“, erklärt Robert C. Wolcott, Professor, Executive Director und Mitbegründer des Kellog Innovation Network (KIN) der Kellogg School of Management an der Northwestern University in Evanston, Illinois. „Alle sind vernetzt. Alle haben Daten. Wie man mit diesen Daten umgeht, um Kunden jederzeit und sofort zu dienen – das ist es, was zählt. Das ist eine ganz andere Mentalität und eine ganz andere Art der Unternehmensführung.“
Im komplexen Gesundheits- und Medizinmarkt kaufte IBM kürzlich für 2,6 Milliarden US-Dollar Truven Health, dessen Big Data aus 200 Millionen medizinischen Akten und Daten die Datenschatztruhe von IBM weiter anreichern. Damit wachsen die Möglichkeiten der Analyse von digitalen Bilddaten – z.B. anonymisierte Röntgen- und MRT-Aufnahmen – und damit für IBM die Chance auf neue Erkenntnisse.
Genauso wie GE seinen Großkunden nun Analyse-Software anbietet, sieht IBM eine Chance, nicht nur Computer und Services zu vermarkten, sondern auch neuen Kunden Gesundheitsdaten anzubieten, die Interesse daran haben, diese in verwertbare Erkenntnisse umzuwandeln. Es handelt sich dabei um ein neues, hypervernetztes Geschäftsmodell, wie es von Google und Facebook eingeführt worden ist. Google begann als einfache Suchmaschine, Facebook als pures soziales Medium; heute verfügen beide Unternehmen über Billionen von Daten über die Aktivitäten ihre Benutzer, die sie zu einem Produkt zusammenfassen, das an andere Unternehmen vermietet wird: Diese zahlen für das Recht der Datenanalyse.
„Viele Unternehmen haben es bereits erkannt: Die Vernetzung transformiert die Ökonomie der Innovation“ sagt Michael Schrage, Visiting Fellow beim MIT (Massachusetts Institute of Technology) Center for Digital Business und Autor von Serious Play, einem Buch über digitales Simulieren und Prototyping. „Die Fachleute in der Forschung und Entwicklung experimentieren und skalieren nicht mehr alleine vor sich hin. Sie senden visuelle Darstellungen [Daten plus Bilder] der Modelle an Communities von Entwicklern, Kunden und Kollegen. Dies bedeutet: Man entwickelt gemeinsam.“
Hypervernetzte Online-Communities machen verschiedenste Projekte möglich, die vorher undenkbar waren, so Karalee Close, Geschäftsführerin Digital, Big Data and Advanced Analytics in Healthcare, Boston Consulting Group in London. Sie nennt als Beispiel PatientsLikeMe.com. Dabei handelt es sich um eine Community, die von zwei Brüdern aufgebaut worden ist. Der dritte Bruder leidet an amyotropher Lateral-sklerose (ALS), auch Lou-Gehrig-Syndrom genannt. Die beiden Brüder suchen nach einer Heilmethode. Angetrieben von der Überzeugung, dass viele Menschen ein Problem schneller lösen als einer allein – entsprechend dem Prinzip der parallelen Datenverarbeitung – bauten sie Kontakt zu anderen Erkrankten mit der gleichen Diagnose, aber auch zu Forschern auf.
„Diese Community tauscht Daten aus und verkauft diese zurück an Pharmaunternehmen, die die Daten zu Forschungszwecken verwenden“, sagt Close. „Dies erhöht wiederum die Bereitschaft der Menschen, weitere Daten preiszugeben.“
Die hypervernetzte Wirtschaft gerät in Schwung. Forscher haben jedoch festgestellt, dass bei den Unternehmensleitungen, die die Wichtigkeit erkannt haben, und denjenigen, die tatsächlich danach handeln, eine erhebliche Lücke klafft.
Laut dem Bericht „Hyperconnected Organisations: How Businesses are Adapting to the Hyperconnected Age“ von The Economist Intelligence Unit in 2015 gaben 59% der 561 befragten Vorstandsmitglieder an, dass fehlende Anpassung an Hyperkonnektivität für ihre Organisation die größte Gefahr darstellt. Trotzdem gab nur ein Fünftel (19%) der Umfrageteilnehmer an, dass das Unternehmen mit Blick auf Hyperkonnektivität grundsätzlich umorganisiert werden muss, und nur knapp die Hälfte führen Mitarbeiterschulungen mit Blick auf digitale Fähigkeiten durch.
Laut Schrage vom MIT kann ein Unternehmen jedoch ohne grundsätzliche Struktur- und Managementänderungen nicht zu einem hypervernetzten Unternehmen werden. In einem Unternehmen müssen die Mitarbeiter z.B. Zugriff auf Unternehmensdaten erhalten und geschult werden, mit Blick auf Datenrecherche und -interpretation. Sie müssen auch wissen, wie ihre eigene Arbeit und Vorgehensweise neu zu definieren sind. Informationen müssen demokratischer verteilt und allen Mitarbeitern des Unternehmens als Basis zum Handeln dienen.
Dies schafft beispiellosen Mehrwert und neue Chancen. Der schnelle Aufwärtstrend bei der Vernetzung von Menschen, Dingen und Communities ist nicht nur ein technologischer Trend – er ist eines der bestimmenden Merkmale dieses Zeitalters. Daher überrascht nicht, dass Unternehmen aller Größen die hypervernetzte wirtschaftliche Revolution gleichzeitig als größte Herausforderung und gleichzeitig als größte Chance wahrnehmen.
Der vollständige Artikel von Mary Gorges erschien zuerst im Compass Magazine.
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