Gelegentlich scheinen uns Themen wie die Digitalisierung als sehr abstrakt und verbinden sich gedanklich eher mit digitalen Auftragsbüchern statt Zetteln, die durch die Produktion laufen als mit unserem Alltag. Da kommt einem vielleicht dann noch das Smartphone in den Kopf, aber sonst hat die Digitalisierung doch mit uns nichts zu tun. Meint man manchmal. Das ist allerdings weit gefehlt. Digitalisierung begegnet uns in ganz analogen Dingen, dem Frühstücksbrötchen zum Beispiel. Denn Klimawandel, sinkende Wirksamkeit oder das Verbot von Pflanzenschutzmitteln machen es immer schwieriger, mit herkömmlichen Methoden eine steigende Weltbevölkerung satt zu machen. Darauf brauchen Landwirte und Landmaschinenhersteller Antworten – und die- sind zumeist ziemlich digital…
Der Landmaschinenhersteller CLAAS ist ein Vorreiter in Sachen Innovation und digitaler Wandel, was man schon allein am Innovationszentrum des Unternehmens dem CLAAS Greenhouse sehen kann. Am 2. Juli war das Greenhouse dann auch wieder Veranstaltungsort für den Informationstag zum Thema Digitale Transformation, der von CLAAS und Dassault Systèmes initiiert war und sich speziell an den Mittelstand wendete. Vertreter aus 35 Unternehmen nutzen die Gelegenheit für Information und Dialog.
So griff beispielsweise Nico Michels als Vertreter von CLAAS den Weg des Unternehmens in die digitale Zukunft auf. Treiber dabei ist der Markt und die oben genannten Veränderungen in der Landwirtschaft. Die Antwort von CLAAS ist die intelligente Landwirtschaft, bei der Wasser und Düngemittel nicht mehr mit der sprichwörtlichen Gießkanne, sondern ganz gezielt mit Hilfe von Sensoren an die einzelne Pflanze gebracht werden. Sensorik und „Mikromanagement“ der Äcker, Auswerten riesiger Datenbestände, Pflanzroboter – die intelligente Landwirtschaft ist digitalisiert und erfordert intelligente Maschinen. die diese intelligente Landwirtschaft unterstützen.
In der Konstruktion und Entwicklung dieser neuen Gerätegenerationen hat das Systems Engineering einen hohen Stellenwert. Das V-Modell der Produktentwicklung wird auf Basis der 3DEXPERIENCE Plattform konsequent umgesetzt, um einen produktzentrierten Lebenszyklus abbilden zu können, in dem Software eine ebenso große Rolle spielt wie Mechanik und Elektronik. Das Greenhouse dient bei CLAAS dazu, die Systems Engineering-Denkweise auch mit der Next-Gen-Workforce zu bearbeiten und zu durchdenken. Lernen, Testen, Dokumentieren, Simulieren und virtuelle Welten nutzen, um reale Verbesserungen zu schaffen. All das wird im Greenhouse wirklich greifbar und erlebbar.
Auch der Thementag am 2. Juli setzte entsprechende Akzente und bot Workshops zu den Themen „Produktionsanbindung“, „Produktkonfigurator und Freigabeprozesse“ sowie „MBSE und Änderungsmanagement“. Innovation und Digitalisierung sollen Unternehmen helfen, mit den Herausforderungen der Zukunft umzugehen. Das erfordert vor allem aber auch eine übergreifende Strategie.
Wolfram Rückemann und Jens Micheel, beide gehören dem Gerätehersteller Miele an, zogen dabei das Beispiel der Plattformstrategie des Unternehmens heran. Denn auch im Umfeld alltäglicher Haushaltsgeräte ist die Veränderung deutlich spürbar. So steht heute oft gar nicht mehr das Produkt an sich im Vordergrund, sondern seine Integration ins smarte Zuhause und die Steuerung, z.B. per App. Interne Prozesse und einzelne Lebenszyklusphasen sind zwar inzwischen digitalisiert, aber an einer kompletten Durchgängigkeit arbeitet Miele noch. Auch hier steht der Plattformgedanke im Vordergrund, Daten aus der Konstruktion sollen in Marketing, Katalogerstellung, Einkauf und anderen Bereichen genutzt werden. Das PLM wird als Grundvoraussetzung für digitales Engineering gesehen. Ziel ist es, mit der 3DEXPERIENCE alle Daten im Produktentstehungsprozess von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Service zu verwalten. Klar wird dabei, wer den smarten Anforderungen der Kunden von morgen gerecht werden will, muss unternehmensintern in Tools, Methoden, Organisation, Führung und Prozessen schon heute die Weichen stellen.
Virtuelle Modelle helfen bei dieser Transformation. Philippe Bartissol von Dassault Systèmes griff es mit dem 3DEXPERIENCE Twin auf, der ein „model based everything“ erst ermöglicht und Strategien für die reale Welt in der virtuellen Welt testen und simulieren lässt. Insgesamt wurde klar, dass der Initialzünder für Innovation und die Produkte der Zukunft aus Ideen, Mut und den richtigen Strategien, Methoden und Werkzeugen bzw. Plattformen besteht. Dazu muss es eben manchmal gar nicht die Bühne großer Konzerne oder das Silicon Valley sein. Große Geschichten starten oft auch in den Harsewinkels unserer Region.