Mit Wind- und Solarenergie über die Straße

Nachhaltige elektrische Antriebe erfordern hohe Ingenieurskunst

Wenn von Elektroautos die Rede ist, denkt wahrscheinlich jeder von uns zunächst an emissionsfreien elektromotorischen Antrieb und die dadurch entstehenden Vorteile für Mensch und Umwelt. Wird die hierfür benötigte Energie dann auch noch aus Wind- und Solaranlagen gewonnen, lässt sich jeder von der neuen Technologie leicht begeistern.

Doch wie effizient und sauber bzw. CO2-emissionsfrei diese Energie tatsächlich ist, hängt von vielen Faktoren ab, wie z.B. der Art und Gewinnung der verwendeten Materialien und dem Herstellungsprozess aller Komponenten. Es genügt daher nicht, sich allein auf den elektrischen Antrieb zu konzentrieren.

Eine allumfassende Analyse würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, so dass im Folgenden exemplarisch nur die Energiegewinnung, Energieumwandlung, Energiespeicherung und der elektrische Antrieb betrachtet werden sollen.

Energiegewinnung

Man kann behaupten, dass Wind- und Solarenergie quasi unerschöpflich sind. Die Sonne scheint jeden Tag und die Energieausbeute auf der Erde wird nur durch Jahreszeiten und Wetter beeinflusst. Wechselt das Wetter entstehen Winde, die Rotoren antreiben, so dass auch diese Form der Energieerzeugung zuverlässig zur Verfügung steht. Um diese Energiequellen jedoch effizient ausschöpfen zu können, müssen wir sicherstellen, dass die Herstellung und Instandhaltung von Windrädern und Solarpanelen die CO2-Bilanz nicht negativ beeinflussen und keine unnötig hohen Kosten verursachen. Insofern ist es nachvollziehbar, dass sich Ingenieure immer neue Ziele setzen, um den Materialverbrauch zu senken, Ressourcen zu schonen und die Leistungsfähigkeit zu steigern.

Numerische Berechnungen und Simulationen von multiphysikalischen Systemen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Mit Strömungssimulation ist es möglich, die Form von Windrädern derart zu optimieren, dass die Übertragung der Windkraft auf die Rotorblätter maximal wird. Mit Mehrkörpersimulation lassen sich Kugellager, Getriebe und Antriebswellen untersuchen und analysieren, wie man die Lebensdauer trotz gleichzeitiger Erhöhung der Leistung verlängern kann. Mit elektromagnetischer Simulation lassen sich Vorgänge im elektrischen Generator im Detail berechnen, um zu verstehen, welchen Einfluss Materialeigenschaften und Änderungen von Magnet- und Spulengeometrie auf die Energieeffizienz haben, damit möglichst viel Strom erzeugt werden kann. Auch Solarpanele lassen sich mit Simulation stets weiter optimieren. Hier liegt der Schwerpunkt der Forschung besonders im Schichtaufbau der Solarzelle und der Analyse von Materialeigenschaften.

Energieumwandlung

Bevor regenerative Energien nun aber für den elektrischen Antrieb verwendet werden können, muss der erzeugte Strom transformiert, Leistung übertragen und elektrische Energie zwischengespeichert werden. Hierfür wird eine Vielzahl von elektromagnetischen Komponenten benötigt, die möglichst verlustfrei funktionieren müssen und daher entsprechende Optimierungen benötigen. Aufgrund der teils hohen Komplexität und Vielzahl der Parameter ist Simulation oft die einzige Möglichkeit, Zusammenhänge und Abhängigkeiten genau zu verstehen.

Ein Beispiel ist das kabellose Laden von Elektrofahrzeugen. Die hierbei verwendeten Primär- und Sekundär-Spulen müssen möglichst zentrisch übereinander angeordnet werden, um die Energie über magnetische Kopplung zu übertragen. Die elektrische Anpassung der Spulen und die Auswahl der Materialien spielen dabei aber eine ebenso wichtige Rolle für eine optimale Leistungsübertragung wie die Anordnung der Spulen, die geometrische Abmessung, die Anzahl der Wicklungen und die Position der Permanentmagnete. Eine Aufgabe, die sich mit Simulation und Optimierungsroutinen leicht bearbeiten lässt.

 

Energiespeicherung

Zuletzt muss die elektrische Energie in Batteriesystemen gespeichert werden. Hier wendet sich die Forschung und Entwicklung besonders dem Aufbau der Batteriezellen zu, der Zusammenstellung der einzelnen Zellen zu Batteriesystemen und den elektrochemischen Eigenschaften der verwendeten Materialien. Das Ziel ist auch hier, die CO2-Bilanz bei der Herstellung, dem Betrieb und dem Recycling von Batterien in Betracht zu ziehen. Dabei soll gleichzeitig gewährleistet werden, dass Größe, Gewicht und Kosten eingespart werden, ohne die Leistung zu reduzieren. Mit speziellen Assemblings und innovativem Thermomanagement gelingt es, Batteriekonzepte für unterschiedliche Fahrzeugprojekte (E-Bike, PKW, Bus, LKW, …) zu realisieren. Simulation ist auch hier ein ständiger Begleiter.

Elektrischer Antrieb

Mit der Batterie als mobile Energiequelle ist es schließlich möglich, elektrifiziert auf Reisen zu gehen. Die verwendeten elektrischen Maschinen sollen dabei gleichzeitig als Motor und als Regenerator genutzt werden, um Energie beim Bremsen zurückzugewinnen. Auch hier kommt es auf viele kleine Details im Motordesign an, um die Leistung zu erhöhen. Aber nicht nur die elektromechanischen Eigenschaften spielen dabei eine wichtige Rolle, sondern auch das gesamtphysikalische Verhalten von Motor, Getriebe und Fahrwerk im Zusammenspiel.

Kleine Unwuchten im System können sich aufschaukeln und zu unangenehmen Vibrationen führen, die sogar in einer Resonanzkatastrophe und Beschädigung des Antriebsstrangs enden können. Um diese Effekte besser zu verstehen und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, werden Systemsimulationen durchgeführt, die das Zusammenwirken von strukturmechanischen, thermischen, elektromagnetischen und strömungsphysikalischen Effekten berücksichtigen.

Fazit

Die Elektrifizierung von Automobilen erfordert das Zusammenspiel vieler physikalischer Disziplinen und die Kooperation verschiedener Ingenieurswissenschaften. Würde man nur die einzelnen Bereiche für sich isoliert betrachten, wäre es kaum möglich, die technischen Anforderungen umzusetzen und die Ziele hinsichtlich Energieeffizienz und CO2-Bilanz zu erreichen. Erst das interdisziplinäre Zusammenspiel und die Betrachtung aller strukturmechanischer, thermischer, elektromagnetischer und strömungsphysikalischer Effekte per Simulation erleichtern die Erarbeitung innovativer Lösungen. Die 3DEXPERIENCE Plattform von Dassault Systèmes und die Simulationslösungen der Marke SIMULIA unterstützen diesen Prozess.

Matthias Tröscher

Matthias Tröscher ist Senior Business Development Executive bei Dassault Systèmes SIMULIA in EMEAR. Sein technisches Fachgebiet liegt im Bereich elektromagnetische Simulation mit Schwerpunkt auf der Automobilindustrie. Er studierte Physik an der Technischen Universität in München und promovierte 2000 an der Johannes-Kepler-Universität Linz mit seiner Arbeit über Radarwarnsysteme für BMW in München. Matthias Tröscher ist Senior Member bei der IEEE EMC Society, stellvertretender Vorsitzender des IEEE German EMC Chapters und Vorsitzender des IEEE Technical Committees TC-9 für Computational Electromagnetics.