Model Based Systems Engineering

Virtuelle Systemintegration und –simulation durch “Model Based Systems Engineering”

Die steigende Komplexität von Autos und die immer stärkere Zusammenarbeit von Mechanik, Elektronik und Software im Auto machen ganz neue Ansätze zur Simulation notwendig – es macht schlicht keinen Sinn, nur die Mechanik oder nur die Software zu simulieren. Die Simulation muss im Systemzusammenhang laufen und alle Disziplinen berücksichtigen. Eine besondere Herausforderung hierbei ist die Integration von Funktionen und Verhaltensmodellen unterschiedlicher Produktentwicklungsbereiche wie Karosserie, Fahrwerk, Antrieb und Elektrik/Elektronik (EE). Model Based Systems Engineering ist ein Ansatz der virtuellen Integration aller Fahrzeugfunktionen sowie deren Validierung und Simulation in Verbindung mit dem Verhalten des Gesamtfahrzeugs.

Die steigende Vielfalt und Komplexität moderner Fahrzeuge entsteht unter anderem durch höhere Anforderungen an neue Fahrassistenzsysteme. Diese zeichnen sich durch eine hohe Vernetzung innerhalb des Fahrzeugs aus, was bei der Entwicklung von Fahrdynamik, Antrieb und EE berücksichtigt werden muss. Durch Virtuelle Systemintegration und Simulation können diese Funktionen frühzeitig computergestützt validiert und verifiziert werden. Abbildung 1 zeigt eine „closed loop“-Simulation eines virtuellen Systemprototyps mithilfe eines RFLP-(Requirements Functions Logic Physics)-Ansatzes mit dem Ziel, schon sehr frühzeitig Steuergeräte und Funktionen zu integrieren und hinsichtlich der Anforderungen zu validieren und verifizieren.

3ds-artikel-virtuelle-Systemintegr_1Abbildung 1: Validierung und Verifikation mit dem Multi-Phasen V-Modell

Im Beispiel definiert der Systemarchitekt zunächst die Top-Level-Anforderungen und Zielindikatoren, dann werden potenzielle technologische Lösungen definiert. Daraufhin werden diese möglichen Systemlösungen modelliert und simuliert. Im letzten Schritt wird dann die für den speziellen Einsatzzweck am besten geeignete Lösung identifiziert. Dies geschieht auch in Wechselwirkung mit einem RFLP-Framework, wobei die Zusammenhänge zwischen Anforderungen, Funktionen, logischen Verhaltensbausteinen und den beteiligten physikalischen Teilen immer berücksichtigt und mitgezogen werden. Damit wird es möglich die herkömmliche Welt der Funktionsentwicklung, die sich nach Anforderungen, Funktionen, Logik und den physikalischen Teilen orientiert, mit den neuen virtuellen Methoden zu kombinieren.

Das folgende Beispielszenario wurde im Oktober 2013 den GAAG (Global Automotive Advisory Group) -Teilnehmern als Szenario für den zukünftigen Fahrzeugentwurf demonstriert. Es beschreibt die durchgängige Implementierung und Validierung der Fahrerassistenzfunktion „Emergency Break Assistance“ (EBA). Abbildung 2 zeigt dabei die beteiligen Modelle und Komponenten für die virtuelle Systemintegration und -simulation.

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Abbildung 2: Virtualisierung der System-Engineering-Prozesse

Die Geometrie des Gesamtfahrzeuges wurde dabei in CATIA definiert und das zugehörige Steuergerät (ECU) in MATLAB/Simulink (M/S) modelliert. Um virtuelle Systemintegration und -simulation erfolgreich durchzuführen, müssen die Komponenten FMI1-konform (*Functional Mock-up Interface) spezifiziert werden. Dadurch können die unterschiedlichen Komponenten in eine virtuelle Integrationsplattform integriert und gleichzeitig simuliert werden. Das Modell zum Sensor zur Erzeugung von Infrarotstrahlen wurde herkömmlich mit C-Code realisiert. Das Bremsenmodell basiert auf Modelica-Fahrdynamik-Bibliotheken, wobei das dynamische Verhalten von Funktionen wie ABS und ESP mit den physikalischen Bremsen und Rädern im Fahrzeugkontext modelliert wird. Im gewählten Szenario war es möglich, frühzeitig Aussagen über die Funktionalität und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Komponenten abzuleiten, ohne einen physikalischen Prototypen gebaut und getestet zu haben.

Ein wichtiger Aspekt bei der Anwendung dieser neuen Methoden ist, dass die Nutzung der zugrundeliegenden Entwicklungsprozesse, die absolut geschäftskritisch sind, idealerweise ohne Medienbrüche erfolgen muss. Für die entsprechenden Mitarbeiter bringt dies teilweise nicht unbeachtliche Herausforderungen mit sich, die sich einerseits aus der Informationskomplexität und -dynamik, jedoch auch aus für den Fachbereich neuartigen Herangehensweisen ergeben. Manche bezeichnen dies als einen „Kulturwandel“, den Mitarbeiter und Partner zuverlässig mittragen müssen, wobei auch die Qualitäts- und Markteinführungsziele fest im Blick zu behalten sind.

Um optimale Synergieeffekte zu heben, werden – wie auf Abbildung 3 dargestellt – alle Entwicklungsschritte unterstützt, die bereichs- und sogar unternehmensübergreifend wirken. Für die Virtual-System-Integration und -Simulation werden die benötigten Komponenten und Verhaltensmodelle ausgewählt, in die Integrationsplattform eingebunden, um dann Steuergeräte, Funktionen sowie Fahrzeug- und Umgebungsgeometrie virtuell zu integrieren und zu simulieren. Auch wenn eine Vielzahl von spezialisierten Systementwicklungswerkzeugen bei OEMs und System-Zulieferern über die Jahre individuell gewachsen ist, ermöglicht die FMI-Technologie, die vielen unterschiedlichen Modelle aus verschiedenen Bereichen der Fahrzeugentwicklung zu integrieren.

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Abbildung 3: Verwendete Modelle im Szenario für die GAAG, Oktober 2013

Zur erfolgreichen Anwendung der vorgestellten Methode in einem durchgängigen Fahrzeugentwicklungsprozess werden die validierten Modelle der Einzelkomponenten mit entsprechender Genauigkeit auf einer integrierten Toolkette eingesetzt.

Der Einsatz der vorgestellten Methode bietet Automobilherstellern und Systemlieferanten im Umfeld innovativer Funktions- und Fahrzeugentwicklungen signifikante Wettbewerbspotenziale: Zum einen ermöglicht die weitere Reduzierung von physikalischen Fahrzeug- und Systemprototypen das Senken der Entwicklungskosten – und das bei einer höheren Anzahl von Testiterationen an virtuellen Prototypen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sich die Entwicklungszeit verkürzen lässt, indem Testszenarien und Systemmodule sehr einfach zur Wiederverwendung genutzt werden können. Letztlich kann auch der Integrationsaufwand erheblich reduziert werden, indem Prozesse teilautomatisiert und Fehlerraten minimiert werden.

Kontakt: Michael Seibt, Dassault Systèmes

* FMI: Functional Mock-Up Interface, siehe www.fmi-standard.org

Narayan is Chief Operations Officer at satsearch, chiefly responsible for helping buyers find the right products and services for their mission or service through the global marketplace. Narayan holds a PhD in Supply Chain Management from the University of Erlangen-Nuremberg and previously served as an Associate Research Fellow at the European Space Policy Institute where he contributed to enhancing cooperation between Europe and India in space.