Über Künstliche Intelligenz wird im Augenblick viel gesprochen, oft mit Blick auf die Auswertung von Daten über Tätigkeiten im www. Und das ist sehr sensibel. Wesentlich unkritischer ist das Auswerten von Daten dagegen, wenn es nicht um personenbezogene Daten, sondern um Maschinendaten geht. Allerdings ist das auch sehr komplex und erfordert einen neuen Blick auf das Datenkonzept eines Unternehmens. Wir sprachen mit Darko Sucic, Senior Director und Leiter des Center of Excellence “Digital Manufacturing” bei Dassault Systèmes, über den aktuellen Stand und die Zukunft der KI in der Produktionsplanung und Fertigung.
Herr Sucic, KI ist derzeit ein echtes Hypethema. Warum gerade jetzt und ist dieser Hype berechtigt?
Die Technologie und die Mathematik, die hinter der Künstlichen Intelligenz stehen, sind eigentlich seit Jahrzehnten bekannt. KI steht und fällt jedoch mit der Rechenleistung und mit der Menge der Lerndaten, die zum „Trainieren“ der Algorithmen zur Verfügung stehen. Und hier hat sich eben in den letzten Jahren einiges getan! Mit der nahezu unbegrenzten Rechenleistung in der Cloud und den gigantischen Datenmengen, die beispielsweise im IoT entstehen, steht beides erst heute in ausreichender Menge zur Verfügung. Erst jetzt kommt KI über das Teststadium hinaus und kann in realen Einsatzszenarien eingesetzt werden.
Wie definieren sich solche realen Einsatzszenarien?
Es muss ein klares Set von Parametern definierbar sein. Das Interessante an den Lösungen der Künstlichen Intelligenz ist ja, dass sie weiterhelfen, wenn man keine „harten“ Verknüpfungen zwischen Parametern definieren kann. Man kann bei der Maschinenüberwachung nicht einfach definieren „über 70 Grad Lagertemperatur folgt ein Lagerschaden“. Vielmehr müssen mehrere Parameter zusammenkommen, die nicht in einem direkten mathematischen Zusammenhang stehen. Solche Konstellationen lassen sich dann über die Auswertungen, die der Algorithmus macht, identifizieren. Die KI erkennt Muster: Wenn diese und jene Faktoren in dieser und jener Weise zusammentreffen, ist ein Lagerschaden sehr wahrscheinlich. Welche Parameter und wie wahrscheinlich ist dabei eben gerade die Lernaufgabe.
Die Fertigung ist, wie ich kürzlich im Artikel schon sagte, einfach prädestiniert dafür, denn hier kommen viele Parameter zusammen, die die Planung und Durchführung auf unterschiedlichste Weise beeinflussen. Zudem ist die Menge der zu verarbeitenden Daten so groß, dass sie von Menschen kaum noch verarbeitet werden kann.
Letztlich haben produzierende Unternehmen drei Kernherausforderungen:
- Risiken zu minimieren, z.B. dann, wenn sich bestehende räumliche Umgebungen oder genutzte Anlagen ändern oder in neue Maschinen investiert wird.
- Das Management vieler Varianten, dann, wenn die Produkte in kleinen Stückzahlen laufen und häufig gewechselt werden muss.
- Die Wiederverwendung existierender Methoden, Prozesse und Anlagen wann immer es möglich ist.
Für jede Aufgabenstellung muss dabei eine spezifische mathematische Beschreibung erstellt werden, für die dann die Daten strukturiert und die Algorithmen „trainiert“ werden. Mit unserem modelbasierten Ansatz tragen wir dieser Tatsache Rechnung und schaffen die Grundlage für weiteren Einsatz von KI-Anwendungen in der Produktion. Das „Model Based Manufacturing“ war übrigens bereits zur Hannover Messe ein Thema, das großes Interesse geweckt hat.
Und hier zeigte sich auch der Vorteil des 3DEXPERIENCE Twin der eben mehr ist als der digitale Zwilling eines Produkts, sondern der vielmehr das virtuelle Modell darstellt. Dieses virtuelle Modell ist über die Sensoren zu jederzeit mit der realen Anlage verknüpft. So hilft die virtuelle Welt beim Simulieren und Validieren auch in der Fertigung und Fertigungsplanung, bevor man eben in der realen Produktion Unterbrechungen in Kauf nehmen muss oder erst dann feststellt, dass etwas so nicht reibungslos durchlaufen kann.
Gibt es bereits konkrete Umsetzungen solcher Ideen?
Ja, wie gesagt, wir können heute schon die Daten von Maschinensensoren über DELMIA Apriso sammeln, automatisch parametrisieren und dann mit Hilfe einer KI auswerten. Diese ermittelt aus der Beobachtung des laufenden Betriebs, welche Parameterkombinationen mit welcher Wahrscheinlichkeit zu einem Ausfall führen. Dies ermöglicht es dann dem Planer, entsprechend frühzeitig zu reagieren, bevor der Ausfall tatsächlich passiert. Wartungen und Rüstvorgänge lassen sich besser planen. Um mal ein Beispiel zu nennen.
Gibt es weitere Ansätze für den KI-Einsatz?
Dassault Systèmes hat durch einige Akquisitionen in den vergangenen Jahren auch KI-Wissen und -Ansätze gewonnen, die nach und nach in die Produkte einfließen. So arbeitet man innerhalb der Marke EXALEAD mit KI-Ansätzen, um individuell relevante Informationen und Muster identifizieren zu können, und auch im Life Science-Bereich haben sich durch die Marke BIOVIA mehr Möglichkeiten und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz aufgetan. Zur Lösung komplexer, logistischer Probleme hat DELMIA Quintiq beispielsweise mit dem Ansatz der selbstlernenden Supply Chain einige Dinge im Portfolio. In anderen Bereichen laufen Forschungs- und Entwicklungsprogramme und sicherlich werden Initiativen aus einem Bereich auch in anderen Bereichen die Entwicklung vorantreiben. Es ist noch vieles denkbar.
Wir sind gespannt, vielen Dank Herr Sucic für das Gespräch.