Neue Ideen in der Flugzeugkabine

Mobilität ist und bleibt eines der bewegendsten Themen unserer Zeit. Einer Studie von Frost & Sullivan nach ist gerade die Luftfahrtbranche dabei ein wahre Innovationsquelle. Sieht man von den radikalen Innovationen wie Lufttaxis aber für einen Moment ab, zeigt sich trotzdem, dass die klassische Flugzeugbaubranche immer weit gefächertere Anforderungen in immer kürzerer Zeit erfüllen muss. Die damit einhergehende Differenzierung stellt die althergebrachten Klassen immer mehr in Frage.

So stehen auf der einen Seite Passagiere, für die der Preis das allein ausschlaggebende Kriterium bei der Wahl eines Flugs ist. Die andere Gruppe sind Geschäftsreisende, die die Zeit im Flugzeug produktiv nutzen müssen oder Ferienreisende, die schon bei der Anreise Wert auf einen gewissen Komfort legen.

Für die Branche heißt das: klassische Airlines werden im Preis nie gegen die Billigfluglinien gewinnen und stellen ihr Angebotskonzept daher auf die weniger preisbewussten, aber anspruchsvolleren Kunden ein. Und das ist sehr komplex. Denn damit bräuchte das Flugzeug der Zukunft einen variablen, flexiblen Innenraum, der sich an individuelle Bedürfnisse anpasst, ohne die Ökonomie aus den Augen zu verlieren.

Fakt ist, dass die Airlines auf die Gunst der Geschäftsreisenden angewiesen sind. Deren Anspruchsverhalten hat sich jedoch mit den Anforderungen immer digitalerer Arbeitsmethoden gewandelt. Neben etwas mehr Beinfreiheit und der reinen Möglichkeit zur Arbeit am Laptop mit Privacy Screen müssen auch die Kommunikationsmöglichkeiten während des Fluges mithalten. Das erfordert allerdings neue Privatsphärekonzepte und einigen technischen Aufwand in Kabine und Bordelektronik. Eine echte Herausforderung. Aber nur so lassen sich in Zeiten hoher „Compliance“-Anforderungen noch Businesspreise durch die Airlines verkaufen.

Und im Economy-Bereich? Sind ‚Familienabteile‘ ähnlich eines Zugabteils überhaupt denkbar? Airbus präsentierte auf der Aircraft Interiors Expo im April in Hamburg entsprechende Mockups.

Privatspähre in der Business ClassFlugzeugkabine mit PrivacyScreensAus welchem Blickwinkel man es auch betrachtet, Die jeweils notwendigen flexiblen Konzepte erfordern eine neue Art der Ausstattung und der vorausgehenden Validierung und virtuellen Simulation des Flugzeugs. Denn um die finanzielle Effizienz eines Flugs zu gewährleisten, geht es nicht nur um die Ausstattung und um gebuchte Sitzreihen, sondern auch maßgeblich um das Gewicht und damit den Kerosinverbrauch. 3D-Druckerhersteller BigRep präsentierte in Hamburg gemeinsam mit Dassault Systèmes zwei Sitzkonzepte, die in die richtige Richtung zeigen: Eines der Konzepte zeigte, wie ein herkömmlicher Flugzeugsitz nicht nur 50 Prozent leichter, sondern zudem auf die Anforderungen moderner Passagiere mit eigenem Tablet zugeschnitten werden kann. Zum Einsatz in der Entwicklung kamen die 3DEXPERIENCE Plattform und die darin verfügbare Branchenlösung „Passenger Experience”.

3D-Druck ermoeglicht leichtere Flugzeugsitze
Die Entwicklung der zwei innovativen Flugzeugsitze erfolgte mit der Dassault Systèmes-3D-Experience-Plattform und der Branchenlösung „Passenger Experience”. Gefertigt wurden sie auf den Großformat-FDM-3D-Druckern von Big Rep. (Bild: NOWLAB/BigRep)

3D-Druck bietet die Flexibilität in der Entwicklung, die es ermöglicht, den Flugzeuginnenraum radikal neu zu denken und dabei nicht nur Gewicht, sondern auch Platz einzusparen, der dann wiederum für neue Kabinenkonzepte verfügbar ist. So lassen sich auf flexible Trennwände sehr leicht bauen, wenn sie beispielsweise eine innere, topologieoptimierte Struktur auf Basis bionischer Prinzipien erhalten.

Innovation wird gerade im Flugzeugbau großgeschrieben. Auf der anderen Seite ist kaum ein Bereich so stark reguliert und hat härtere Zulassungsverfahren. Hier gilt es beide Anforderungen überein zu bringen und Innovationsprozesse zu befähigen statt auszubremsen. Technologien, die virtuelle schnelle Testreihen und Nachweise zur digitalen Durchgängigkeit problemlos erbringen können, haben damit eine noch höhere Dringlichkeit, als dies in vielen anderen Industriezweigen der Fall ist. OEMs im Flugzeugbau oder vorgelagerte Zulieferer brauchen dazu allerdings nicht nur die richtigen Tools, es geht auch darum die Mitarbeiter im Transformationsprozess mitzunehmen und entsprechende Methoden wie beispielsweise auch das modellbasierte Systems Engineering zu nutzen.

Bernd Löwenkamp

Bernd Löwenkamp ist Senior Manager im Marketing und zuständig für die Kooperation mit Geschäftspartnern, besonders im Bereich der Automobilbranche.