2010 wurde mit dem Urbee das erste Kleinserienauto mit 3D-gedruckten Karosserieteilen vorgestellt, 2015 folgte mit dem Strati von Local Motors das erste Auto mit einer komplett 3D-gedruckten Karosserie. Aber ist der 3D-Druck als Technologie im Automobilbau wirklich nur Nische für avantgardistische Einzelprojekte? Keineswegs, denn auch große Automobilhersteller nutzen den 3D-Druck – und das immer mehr nicht nur im Prototypenbau, sondern auch in kleinen Serien und im Ersatzteilgeschäft.
„Einen Kupplungsausrückhebel für den Porsche 959 bitte“ – diese Anfrage sorgt auch bei Porsche Classic, der Oldtimer-Ersatzteilabteilung des Sportwagenherstellers, für Stirnrunzeln. Ein kürzlich erschienener Artikel des Sportwagenbauers beschreibt das sehr schön.
In der Zeitschrift Oldtimer Praxis wurde außerdem in einer ganzen Serie gezeigt, wie sich der Grauguss-Zylinderkopf eines Vorkriegsklassikers mit Hilfe 3D-gedruckter Sandgussformen nachgießen lässt, wie Ölwannen mit dem 3D-Scanner eingelesen und eine Form für den Sandguss entsteht oder sogar Kleinserien entstehen. Das Interessante dabei ist, dass mit der Nutzung der Technologie kleine Optimierungen erfunden worden sind, die so vorher gar nicht angedacht oder mit anderen Fertigungstechnologien hätten bewältigt werden können. Beispielsweise ein zusätzlicher Ölkanal, der eine im Originalmotor vernachlässigte Schmierstelle besser versorgt.
Bugatti hat zwar einen alten Namen, kümmert sich jedoch heute um die Konstruktion und Fertigung extrem teurer Supersportwagen, die modernste Technologien einsetzen. Im Bemühen, die Grenzen des Machbaren auszuloten, hat Bugatti nun einen mittels generative Design optimierten und in Titan 3D-gedruckten Achtkolben-Bremssattel vorgestellt.
Die Beispiele zeigen: In Kleinserien, der Ersatzteilfertigung für heißgeliebte Klassiker und in Spezialanwendungen hat der 3D-Druck bereits Einzug in die Fertigungstechnologie gehalten.
Als weiteren Schritt in der Abgrenzung zum Wettbewerb ist 3D-Druck für die Fahrzeughersteller jedoch auch in Sachen Individualisierung und Sonderausstattungen eine durchaus attraktive Technologie. Wie weit die Individualisierung von Fahrzeugen durch 3D-Druck voranschreiten wird ist bisher noch nicht absehbar, das Potential ist jedoch enorm. So sind Sonderausstattungen denkbar, die mit den üblichen Fertigungstechnologien jeden Rahmen handhabbarer Variantenkataloge sprengen würden. Auch im Zuge von Car-Sharing und autonomen Fahrzeugen für zukünftige Mobilitätskonzepte, kann die Technologie Sprungbrett sein. Gerade in Sachen Interieur und spezifischer Ausstattung.
Auch wird es sicher spannend sein zu sehen wie die Automobilbrache 3D-Druck als Anwendung für Nischen oder Prototyping in weitere Bereiche übertragen kann. So wachsen im Zuge der Elektromobilität den zugehörigen Versorgungs- und Infrastrukturkonzepten die Anforderungen an Materialien und Bauteile aus Mischkomponenten, die sich mit den üblichen Fertigungsverfahren teilweise nur schwer oder gar nicht ermöglichen lassen. Wie kann 3D-Druck als Technologie und in der Kombination mit entsprechender Unterstützung durch Daten und Simulation dabei helfen, auch hier die entscheidende Nasenlänge Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb zu gewinnen?
Die zwischen Dassault Systèmes und dem 3D-Druck Pionier Stratasys geschlossene Partnerschaft, sowie einige Projekte der additiven Fertigung in ganz anderen Industrien wie der Life Sciences oder Konsumgüterbranche, spielen immer neue Ideen zurück auch in den Automobilbau und die Zulieferindustrie. Damit zeigt sich aber auch, dass 3D-Druck den Kinderschuhen längst entwachsen ist und die Anforderungen an den Druckvorgang selbst und an die Richtlinientreue der erstellten Teile immer bedeutender für die Entscheidung über den Einsatz der Fertigungstechnologie werden.
Wer also die Klassik erhalten und die Moderne voranbringen will, muss die richtigen Konzepte, die Technologie und die Dokumentation ideal miteinander verbinden. Übrigens: Additive Fertigung ist auch Thema der Messepräsentation auf der diesjährigen Hannover Messe.