Null-Fehler-Produktion – Wunschtraum oder Zukunft?

Die größte Fehlerquelle ist der Mensch. Wenn wir nun alle Menschen aus der Fertigung verbannen, erreichen wir dann die Vision der Null-Fehlerproduktion? Natürlich nicht, denn sonst müsste dieser Artikel hier enden. Fehler, Ausschuss und Qualitätsprobleme lassen sich nie komplett ausschließen. Wenn die Probleme nicht menschengemacht sind, dann entstehen sie aufgrund von Verschleiß oder Materialfehlern. Es ist also wichtig, die Fertigung nicht nur optimal zu planen und zu managen, sondern auch die Erzeugnisse und die Qualität so zu kontrollieren, dass Fehler schnell erkannt werden.

Ist die Null-Fehler-Produktion möglichDie Luftfahrtindustrie hat über die Jahre eine Fehlerkultur etabliert, von der andere Bereiche viel lernen können. Es beginnt mit der Erkenntnis, dass sich Fehler nicht völlig ausschließen lassen, sondern passieren. Auch der beste Prozess wird immer wieder zu Fehlern führen. Der Schluss, den man in der Aerospace-Industrie daraus gezogen hat, lautet: Wir wollen jeden Fehler nur einmal machen. Wenn es schon nicht möglich ist, das erste Auftreten von Fehlern zu 100 Prozent zu vermeiden, so kann man doch daran arbeiten, dass dieser Fehler niemals wieder auftreten kann.

Diese Erkenntnis wiederum führte zu den langwierigen Untersuchungen jedes Flugzeugunglücks, die immer wieder in den Medien auftauchen und wegen ihrer Dauer oft in der Kritik stehen. Es wird eben nicht schnell ein Schuldiger gesucht, sondern in aller Ruhe der Fehler analysiert, die Prozesse verfolgt, die zu dem Fehler führten, und die Ursachen akribisch ermittelt und dokumentiert.

Auf Basis dieser umfassenden Untersuchung kann dann darangegangen werden, die Prozesse, Werkzeuge, Produkte und Materialien so umzugestalten, dass diese Abläufe nicht mehr passieren und somit der Fehler nicht mehr auftreten kann. Die japanischen Autohersteller, allen voran Toyota, führten schon vor langer Zeit ähnliche Untersuchungen ein. Dort wird, sobald ein Montageproblem erkannt wird, das Band so lange angehalten, bis der Verursacher gefunden ist – und mit Verursacher ist nicht ein Mensch gemeint, sondern ein Ablauf, ein Werkzeug oder ein Bauteil.

Die Abkehr von der Schuldfrage ist die wichtigste Komponente dieser Philosophie – und deshalb erfordert die Null-Fehler-Produktion vor allem in Deutschland einen Kulturwechsel. Bis heute wird viel zu sehr in der Kategorie individueller Schuld gedacht, doch dies bedeutet, dass die tieferen Ursachen nicht ausgemerzt werden und die Aufklärung von Problemen unnötig erschwert wird. Wer hilft schon bei der Aufklärung freiwillig mit, wenn er fürchten muss, als Schuldiger identifiziert werden könnte?

Systeme wie MOM – Manufacturing Operations Management wie die DELMIA Anwendung auf Basis der 3DEXPERIENCE Plattform schaffen die notwendige Transparenz, Fehlerketten und -ursachen erkennen zu können. Die begleitende „Kultur der Offenheit“ muss parallel dazu vom Management geschaffen werden. Offenheit erzeugt Offenheit. Erst wenn die Mitarbeiter wissen, dass es um die Sache und nicht um die Schuld geht, können die technischen Möglichkeiten, die Software heute zur Verfügung stellt, effizient und gewinnbringend genutzt werden. Und dann kann man gemeinsam nach Lösungen suchen und so an der Null-Fehler-Produktion arbeiten.

Joachim Bauer

Joachim Bauer ist Director Sales für die Marken ENOVIA und EXALEAD bei Dassault Systèmes in Deutschland und Spezialist im Bereich Produktions-, Fabrikplanung und Data Intelligence.