Online-Marktplätze schließen Innovationslücken

In der letzten Zeit hat die Start-up-Szene hierzulande einen regelrechten Hype erfahren. Vor ein paar Jahren sah das noch ganz anders aus. Da schielte man neidvoll ins Silicon Valley und bewunderte aus sicherem Abstand den Mut, den einige Gründer an den Tag legten.

Was also hat sich in der Zwischenzeit verändert, das es ermöglicht hat, dass die agile Start-up-Kultur auch bei uns wächst? Welche ‚Innovations-Infrastruktur‘ nutzen junge Unternehmen wie das Elektromobilitäts-Start-up Kreisel Electric heute? Und was können etablierte Unternehmen sich davon abschauen? Wir werfen einen Blick in die Details:

Vor wenigen Jahren noch war die Hürde physikalische Produkte auf den Markt zu bringen noch um einiges höher. Gerade komplexe Innovationen erfordern einige Tests, Simulationen und schnelles Prototyping. Prototypenteile sind allerdings nicht nur sehr teuer, es ist oft auch schwierig, einen Lieferanten zu finden, der ein einziges oder einige wenige Teile anfertigt und im Erfolgsfall gleichzeitig mitskalieren kann. Mit dem 3D-Druck und die wachsende Zahl an Online-Markplätzen für die industrielle Anwendung haben sich aber neue Möglichkeiten aufgetan.

Agiles Arbeiten und additive Fertigung schließen Lücken

Die Startup-Kultur hat eine Herangehensweise an Projekte hervorgebracht, die sich viel im Softwarebereich abgeschaut hat: Agile Entwicklung bedeutet, ein Produkt sehr schnell und in hierarchiefreien Teams voranzutreiben. Nach jedem Entwicklungssprint wird ein Prototyp hergestellt und getestet, um Inputs für den nächsten Sprint zu bekommen.

Zum Glück lassen sich solche Tests auch an haptischen Produkten heute in den meisten Fällen an virtuellen Prototypen absolvieren, allerdings braucht es nach wie vor immer wieder Produktmodelle zum Anfassen. Ein preiswerter 3D-Drucker kann da schon sehr gut weiterhelfen, indem sich relativ grobe, aber funktionsfähige Teile über Nacht herstellen lassen. Doch je weiter der Prozess fortschreitet, desto näher am Original müssen die Prototypenteile sein – und da reicht der Desktop-FDM-Drucker eben nicht mehr, es werden Teile aus Metall oder mit optimaler Oberfläche benötigt.

Früher war genau dieser Prozessschritt die Hürde, über die es viele hoffnungsfroh gestartete Entwicklungen nicht schafften. Ging man mit seiner Zeichnung oder seinem 3D-Modell zu einem CNC-Fräsbetrieb, wurde man dort häufig nicht gerade begeistert empfangen. Das teure CNC-Bearbeitungszentrum für ein einzelnes Teil umzubauen, ist meist langwierig und teuer.

Inzwischen lassen sich solche Teile ohne großen Aufwand auf Metall-3D-Druckern beziehungsweise Additive Manufacturing- (AM)-Anlagen fertigen – sowohl als einzelnes Teil wie auch in kleinen Serien. Allerdings sind diese Drucker teuer und benötigen eine hochspezialisierte Umgebung – ein ideales Betätigungsfeld für Dienstleister. Viele Besitzer solcher AM-Maschinen suchen nach Möglichkeiten, ihre Anlagen optimal auszunutzen, und nehmen externe Aufträge an.

Netzwerke in der Entwicklung und Wertschöpfung

Für viele moderne Entwicklungen sind unterschiedliche Bauteile aus Metall, aber auch aus verschiedenen Kunststoffen notwendig. Ein einzelner Metall-AM-Drucker reicht also nicht, die Entwickler benötigen verschiedene 3D-Drucktechnologien, die kaum ein Anbieter komplett abdecken kann.

Dassault Systèmes hat sich mit dem 3DEXPERIENCE Marketplace das Ziel gesetzt, diese beiden Gruppen zusammenzubringen – die Firmen, die schnell und relativ preiswert Teile benötigen und die Anbieter von industriellen Bauteilen und 3D-Druckdienstleistungen. Das ist an sich noch keine Marktneuheit und auch keine Spezifikation allein für Start-ups. Interessant ist eher der Aspekt, wie insbesondere junge Unternehmen diese neuen Möglichkeiten in ihre Innovationsprozesse mit einbeziehen.

Denn mit der neuen Vielfalt an Anbietern von Teilen und 3D-Drucken wächst das Netzwerk. Eines der zentralen Elemente für die Schaffung neuer Ideen. Und mit dem Netzwerk und der Möglichkeit über einen Online-Marktplatz wie den 3DEXPERIENCE Marketplace zum benötigten Teil zu gelangen wächst auch das verfügbare Know-how. Denn im Online-Marktplatz kann nicht nur auf Basis der Daten aus dem eigenen (oder in der Cloud gehostetem) System eine Bestellung ausgelöst und abgewickelt werden. Gleichzeitig erfolgt eine Validierung der Druckanforderung. Eventuelle Probleme können erkannt und vermieden werden, bevor sich erst beim Druck herausstellt, dass sich das Material nicht eignet, das Teil noch immer nicht die gewünschten Eigenschaften aufweist usw.

Das ist natürlich ein ganz gewaltiger Vorteil und eben auch ein Wissensvorsprung. Kleine, junge Unternehmen tun sich mit dieser Art der externen Zusammenarbeit oft etwas leichter als etablierte Unternehmen, das Potential, das aber in dieser Art der Zusammenarbeit steckt und die Möglichkeiten weitere Tools wie die Simulation zu nutzen, schaffen echte Zeitvorsprünge.

So bietet der 3DEXPERIENCE Marketplace eine ziemlich interessante Erweiterung der virtuellen Modellierung in die reale Welt. Der Marketplace ist die optimale Adresse, um Teile an verschiedene Dienstleister abgeben zu können und gleichzeitig die Daten im Griff zu behalten. Die Datenverwaltung in der 3DEXPERIENCE Plattform sorgt dafür, dass die richtigen Daten an die Dienstleister gehen, während im Hintergrund vielleicht schon an der nächsten Iterationsstufe des Produkts gearbeitet wird. Daneben entstehen auch ganz neue Möglichkeiten sehr kurzfristig den passenden Lieferanten zu finden, gemeinsam zu testen und zu validieren und agile Arbeitsweisen junger Gründer auch in etablierten Unternehmen einzubinden. Und ob es uns gefällt oder nicht, Schnelligkeit ist in Innovationsprozessen nun mal kritischer Faktor Nummer eins.

Welches Fazit können etablierte mittelständische Unternehmen daraus ziehen? Oder welche Implikationen ergeben sich daraus auch für große Konzerne? Auch ihnen stehen ja die Türen zum Marketplace in der Online-Welt offen. Ziemlich einfach sogar, da der 3DEXPERIENCE Markteplace beispielsweise direkt aus den Anwendungen wie CATIA oder SOLIDWORKS genutzt werden kann.

Der Schritt zur zukunftsweisenden Innovationskultur muss allerdings intern, in den Managementetagen gegangen werden. Denn die Umstellung auf relativ freie agile Arbeitsmethoden erfordert auch eine neue Art der organisationalen Aufstellung innerhalb von Unternehmen. Liest man die Berichte in sozialen Netzwerken, auf Blogs oder in der Wirtschaftspresse zeigen sich bereits tolle Beispiele in Sachen Innovationskultur und Kollaboration. Fazit also? Die Zukunft der industriellen Fertigung bleibt hoch spannend.

Petra Kraemer

Petra Kraemer ist Senior Manager für die Onlinekommunikation bei Dassault Systèmes in Zentraleuropa, sie bloggt zu Themen wie digitaler Transformation, Innovation & Technologie und new Work.