Auf den ersten Blick mag der Zusammenhang zwischen der Digitalisierung und den Regalen im Supermarkt um die Ecke nicht jedem sofort einleuchten – jedenfalls solange man vom Omnichannel-Handel absieht. Dabei ist gerade der Lebensmitteleinzelhandel mit seiner gesamten Supply Chain eine der am stärksten vom digitalen Wandel betroffenen Branchen. Und dabei geht es vor allem auch um Kundenwünsche und die Innovationsgeschwindigkeit der Hersteller.
Der Warenumschlag ist, auch abseits der frischen, leicht verderblichen Artikel immens hoch. Und das bei enorm breiten Sortimenten. Statt einfach „Coke oder Pepsi“ reicht die Tiefe in den einzelnen Produktgruppen von Bio und Light über Zuckerfrei bis hin zu einer unübersichtlichen und ständig wechselnden Vielfalt von Mixgetränken und exotischen Geschmacksmischungen, Sondereditionen und Aktionsverpackungen. Diese Komplexität, zusammen mit der hohen Geschwindigkeit im Handel erfordert Supply Chain Koordination par excellence. Entsprechend positioniert sich der Handel: Bestellmengenplanung, Logistik, Lagerhaltung, Produktionsplanung – das sind heute alles hoch digitalisierte Prozesse. Die Schwierigkeit ist jedoch, dass die Kette oft noch nicht durchgehend auf einer einzigen Datenbasis als Single-Source-of-Truth koordiniert wird. Das kostet Zeit – Zeit, die für Innovation fehlt.
„Just in time“, das Prinzip, das im Automotive-Bereich gang und gäbe ist, kommt auch im Lebensmitteleinzelhandel immer mehr zum Tragen. Supermärkte haben teilweise keine eigenen großen, dezentralen Lager mehr, sondern erwarten von ihren Großhändlern, dass sie für jederzeit gefüllte Regale bzw. Regionallager sorgen. Und zwar mit Produkten, die dem Zeitgeist und der Lust der Verbraucher auf Neues entsprechen. Die Zeit des gebundenen Kapitals für die Supermarktketten bleibt gering, denn die Zahlungsziele gegenüber Lieferanten sind oft großzügig. Die Großhändler geben den Zeit- und Kostendruck an die Hersteller weiter, die wiederum mit attraktiven und immer wieder neuen Angeboten um den wertvollen Platz im Regal konkurrieren.
Durchgängigkeit wird zur Überlebensstrategie
Wenn viel Aufwand in die Innovation und die Veränderung gehen, müssen Routinetätigkeiten und Reibungsverluste minimiert werden – dann spricht alles für den Aufbau einer Product Innovation Platform (PIP), die Daten, Personen und Informationen über den gesamten Lebenszyklus hinweg nahtlos integriert. Die Plattform bietet ein geschlossenes Produktmodell, das Zutatenlisten, Verpackungen, Labels, Visualisierungen, Regularien und andere Informationen enthält. Jeder arbeitet auf Basis derselben Informationen und eines zentralen Produktmodells, statt Informationen aus den unterschiedlichsten Abteilungen zusammensuchen oder selbst neu schaffen zu müssen.
Auch wenn zumeist versucht wird, den Schwerpunkt auf die Innovation des Produkts an sich zu legen, so rücken doch immer stärker andere, nachgelagerte Bereiche in den Fokus: Was nutzt der schnellste Entwurf für eine neue Produktverpackung, wenn die notwendigen Anpassungen an den Abfüllanlagen, der Umverpackung und der weiteren Logistikkette nicht Schritt halten? Schon beim Produktdesign müssen Logistikthemen mitgedacht werden, beispielsweise muss berechnet werden können, wie viele Stück eines Produkts auf eine Palette passen.
Diese Integration der Daten funktioniert nur, wenn die gemeinsame Plattform alle Werkzeuge integriert und nicht am Serienanlauf endet. Eigenentwickelte Excel-Tools haben in einem solch integrierten Prozess ebenso wenig Platz wie Stand-Alone-Lösungen für bestimmte Anforderungen oder Medienbrüche in Richtung Logistik. Jim Brown von Tech-Clarity schreibt im Whitepaper zum Thema „The CPG Digital Thread“, dass Firmen aus dem Consumerbereich, die ohne durchgängige Plattform arbeiten, 34 Prozent ihrer Zeit mit nichtproduktiver Arbeit (non-value added work, NVA) verbringen. Den größten Anteil an diesen 34 Prozent verbrauchen die Themen „Suche nach Informationen“, „Aufbereiten von Daten für andere“ und Wieder-Erzeugen von nicht auffindbaren Daten“.
Bei schnelldrehenden Konsumgüter kann dieses Verzetteln jedoch nachhaltig negativen Einfluss auf verbrauchergerechte Produktinnovation haben. Nur wenn ein komplettes, stringentes Datenmodell des ursprünglichen Produkts bzw. der Produktidee vorliegt, können sich die Prozessbeteiligten auf die Änderungen konzentrieren und effizient arbeiten, sich eben wirklich auf Innovation für den Handel und Verbraucher konzentrieren.