Designer und Konstrukteure stehen im Zeitalter rascher industrieller Umbrüche vor neuen Herausforderungen: Die Dinge, die sie entwickeln und umsetzen, sind nicht nur Produkte oder Dienstleistungen, sondern Systeme, die aus Systemen bestehen.
Globale Informationssysteme sind dabei die mächtigsten Werkzeuge, die die heutige Welt bietet. Computersysteme im planetaren Maßstab, die eine Metainfrastruktur aus Informationen aufbauen, verändern unsere Welt. Allumfassende Digitalisierung auf der Ebene ganzer Städte und mobile Interfaces, die nahtlos in unsere Umwelt integriert sind, betten sich tief in unser Leben ein und verändern die Art, wie wir leben, uns bewegen, Dinge herstellen, wohnen und uns weiterbilden.
Die Funktionen moderner Computersysteme übersteigen unsere menschlichen Fähigkeiten bei weitem. Heute schon können diese Systeme dem Menschen autonom Entscheidungsgrundlagen liefern. Daher ist genau jetzt ist die richtige Zeit, die Art zu hinterfragen, wie wir Herausforderungen angehen.
Mit dem Aufkommen von Ideen wie „Digitales Zeitalter“ oder „Smart City“ um das Jahr 2008 wurde unsere Welt verschwommener, komplexer und düsterer. Software ist ein integraler Bestandteil unseres Lebens und unserer Welt – in unseren Händen, unseren Gebäuden und Städten, unserer vielschichtigen Mobilität, unserer Suche nach Wissen und Erkenntnis. Doch wenn man so viele Einzeldaten zur Verfügung hat, wird es immer schwieriger, das Gesamtbild zu erfassen. Die heutigen Probleme lassen sich nicht isoliert betrachten, sie lassen sich nicht ohne übergreifendes Wissen und spezifische technische Fähigkeiten, Know-how und Erfahrung aller Beteiligten lösen.
Ein gutes Beispiel ist das Themenfeld Klimawandel und Luftverschmutzung. Wir verlieren unsere Prioritäten und unsere Fähigkeit, richtige Entscheidungen zu treffen, weil uns adäquates Vokabular, die Vorstellungskraft und die Lösungen fehlen, um solche Probleme im weltweiten Maßstab anzugehen. Deshalb ignorieren wir das Problem, das währenddessen außer Kontrolle gerät.
Wir brauchen neue und bessere Modelle, um die Komplexität zu bewältigen; wir müssen die Probleme systematisch angehen. Wir brauchen so viele zusammenhängende Elemente wie nur möglich, um unsere Vorhersagen und die Auswirkungen unserer Taten so überzeugend wie möglich darzustellen. Um die Fragmentierung unseres Lebens zu verhindern, brauchen wir eine ganzheitliche Megastruktur, die „was wir wollen“ darstellt statt „was wir haben“. Wie die Natur selbst können wir der Logik der Systeme von Systemen folgen, wenn wir unsere Welt im Gesamten im Blick halten.
Wir brauchen eine neue „Form“ für ein großes, digitales und kohärentes Ganzes, das auf den ersten Blick voneinander unabhängige und isolierte Datenbruchstücke zusammenbringt, wie sie unter anderem von Smart Grids, Cloud-, Mobile- und Smart City-Applikationen generiert werden, von universellen Adressierungssystemen, Ubiquitous Computing, Robotern und Künstlicher Intelligenz.
Entwicklungsprojekte sollten viele verschiedene Beteiligte, Anforderungen, Bedingungen und Auswirkungen, die alle komplex miteinander interagieren, zusammenführen. Wir brauchen angepasste und experimentelle Herangehensweisen, um Entwicklungsprojekte so zu gestalten, dass sie ein kollaboratives Megaprojekt abdecken können.
Produktentwicklung muss ganzheitlich, detailliert, wissensgetrieben, interaktiv und nachhaltig sein. Wir müssen dabei kulturelle, institutionelle und technische Entwicklungssysteme zusammenführen können, in indem wir die Logik weltumspannender Digitalisierung nutzen. Und dann müssen wir diesen Maßstab anwenden, wenn wir Ideen suchen, Szenarien aufbauen und technische Lösungen mit Hilfe der Simulation entwickeln und diese auf ungewollte Effekte untersuchen.
Design wendet das Systemdenken beim Entwerfen von Erfahrungen an
Die Entwicklung und das Verständnis eines solchen Prozesses und der damit verbundenen komplexen Modelle erfordern vermehrte Aufmerksamkeit für den gesamten Lösungsraum, der die darin enthaltenen technologischen, virtuellen, physikalischen und sozialen Lösungsräume beschreibt.
Wir werden in der Tat zu dem, was wir als Menschen sind, indem wir “machen”, was uns wiederum macht. Wir sind “Homo Faber” – wir sind “Macher”. Wir haben immer mit Werkzeugen gedacht: So vermitteln wir die Welt und werden von ihr vermittelt. Wenn wir hinterfragen, wie die Dinge funktionieren, wenden wir uns heute natürlicherweise der Software zu, dem “Berechnungswerkzeug des digitalen Zeitalters”. “Software sollte jedoch nicht nur darauf reduziert werden, Dinge zu beschreiben oder zu machen, sondern als Mittel, um sie zu durchdenken.”
Unsere Mission bei Dassault Systèmes ist die Definition dieses neuen Lösungsraums, sowohl real als auch virtuell. In diesem Raum definieren wir räumliche, kulturelle, mediale und soziale Vorgaben, die den Entwicklungsprozess für die Bewältigung komplexer Aufgaben begrenzen. Warum betrachten wir Software und System nur als Werkzeug, um für das Leben zu entwerfen? Da Software sowohl lingual als auch technologisch ist, ist sie ein universelles Werkzeug. Wir müssen die Digitalisierung nicht nur als Maschine betrachten, sondern auch als Logik der Kultur und der Produktentwicklung.
Mit diesem Ziel verfolgen wir eine Konvergenz des Designprozesses und des Systemarchitekturansatzes. Unsere Design- und Systementwicklungsteams bei Dassault Systèmes brachten ihre jeweiligen Erfahrungen in den Bereichen Design Thinking und komplexes Systemsengineering zusammen. Dieses kollaborative Projekt gab uns Einblicke in verschiedene Umwälzungen: die Art und Weise, wie Menschen in Projekt-Ökosysteme involviert werden, wie das Begehren nach mehr disruptiven Innovationen erfüllt werden kann, wie die wachsenden Fähigkeiten von Computern verbessert werden können und wie die Komplexität von Menschen berücksichtigt wird. Das neu gewonnene Bewusstsein für diese Veränderungen bereicherte schließlich beide Disziplinen.
Die Ergebnisse öffnen völlig neue Wege in der Design-Praxis. Um für das Leben zu entwerfen, wie auch in der vergangenen Woche großes Thema bei der Design in the Age of Experience-Konferenz in Mailand zu erleben war.
(Der Artikel ist eine Ableitung aus dem englischsprachigen Original “Design is System Thinking” auf LinkedIn)